Stellungnahme der SPD zu einer E-Mail
an den Bundeskanzler.
Situation. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkrieges sind deutsche Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligt. Trotz aller Bedenken und Ängste hat sich die SPD dazu durchgerungen, mehrheitlich für ein Eingreifen im Kosovo einzutreten. Aufgrund der Vertreibungspolitik der serbischen Staatsfuehrung sind
Frauen, Kinder und Familien aus ihren Häusern und Dörfern in einer regelrechten Entvölkerungs-Strategie vertrieben. Ihre Dörfer werden zerbombt, alle die schrecklichen Bilder, die wir aus Bosnien noch in Erinnerung haben, sind im Kosovo jetzt wieder Realität. Das kann Europa nicht hinnehmen. Bei den internationalen Bemühungen, den Übergriffen Einhalt zu gebieten und eine Friedenslösung für den Kosovo zu erreichen, kann Deutschland nicht abseits stehen.
Deutschland sollte seiner besonderen Rolle gerecht werden und eine friedliche Lösung ermöglichen, statt seine ehernen Prinzipien zu verraten. Einseitige Bemühungen der NATO sind zwar international, aber nicht im Sinne einer wirklichen Völkergemeinschaft. eines friedlichen Miteinanders, der im Gang befindlichen humanitären Katastrophe weiterhin tatenlos zuzusehen. Ein zweites Bosnien mit über 300.000 Toten muss auf jeden Fall verhindert werden. Wenn es zu einer militaerischen Intervention der NATO unter der Beteiligung der Bundeswehr gekommen ist, so trägt Slobodan Milosevic dafür die alleinige Verantwortung. Mit seinem militärischen Vorgehen mit den unerträglichen Massakern unter der Zivilbevölkerung und der organisierten Vertreibung unschuldiger Menschen hat er alle im vergangenen Oktober auf internationaler Ebene mit ihm getroffenen Vereinbarungen gebrochen.
Natürlich wird Milosevic als der Täter allein verantwortlich gemacht. Es geht aber auch um Ursache und Wirkung. Die Wirkung ist, daß Milosevic alle menschlichen Hemmung genommen werden und daß die Angriffe der NATO ihn dazu anstacheln, seine ohnmächtige Wut nun erst recht an den Albanern im Kosovo auszulassen. Dies war abzusehen. Die Angriffe der NATO führten also
indirekt mit zum gegenwärtigen Ausmaß der Katastrophe.
über die Balkanpolitik der Bundesregierung diskutiert. Das Ergebnis, das in einer Resolution festgehalten wurde, ist eine klare Unterstützung der Linie der Bundesregierung. Es wird weiterhin festgestellt, dass neben den militärischen Zwangsmassnahmen die Entwicklung einer politischen Perspektive für den Balkan unerlässlich ist:
für den Balkan. Der Balkan braucht Europa, um wirtschaftlichen Aufbau, Stabilität und Demokratisierung in der Region zu ermöglichen. Die tragenden Prinzipien der europäischen Integration sowie der Schlussakte von Helsinki müssen der Entwicklung auch dieser europäischen Region zugute kommen. Die Menschen in der Region, besonders die vom aktuellen Konflikt besonders heimgesuchten Serben, Albaner, Kroaten, Bosnier und Mazedonier, brauchen eine Perspektive: Sie gehören nach Europa. Deswegen hat die deutsche Präsidentschaft die Initiative dafür ergriffen, daß die EU, im Rahmen einer umfassenden Südosteuropa-Strategie und eines Stabilitätspaktes, den Ländern der Region eine europäische Perspektive eröffnet." Explizit werden des weiteren die Einbindung Russlands in die Verhandlungen um eine politische Lösung sowie eine Verstärkung der humanitären Hilfe vor Ort gefordert.
als Vermittler, um die tatsächliche Lösung des Kosovo Krieges unter Beteiligung Rußlands friedlich zu ermöglichen. Stattdessen wurden die Verhandlungen mit Jugoslawien einfach
Verhandlungen haben ihren Sinn aber vor allen dadurch, daß
sie
Ergebnisse sind weniger wichtig als der Dialog selbst.
Vertreibung und zum Teil Vernichtung eines Bevölkerungsteiles Jugoslawiens soll und kann den Konflikt nicht lösen. Ziel der Luftschläge ist es, die serbische Armee konkret am Vertreiben und Brandschatzen zu hindern oder dieses zu behindern. Daher werden Einrichtungen und Fabriken angegriffen, die zur Versorgung der Kriegsmaschinerie zur Gewaltanwendung an einem Teil der eigenen Zivilbevölkerung dienen. Erste Erfolge bestehen darin, daß die Armee von Präsident Milosevic eindeutig Nachschubprobleme hat.
dem Ziel anzugreifen, in ein, zwei Monaten die serbische Armee ausreichend geschwächt zu haben ? Wurde etwa geglaubt, diese Armee wartet geduldig bis sie kampfunfähig ist ? Gerade dieses Ziel der NATO zwingt Milosevic ja fast dazu, seine Gewalttaten um so intensiver zu begehen. Soll dann eine mindest ebenso große Zahl Unschuldiger der serbischen
Zivilbevölkerung wie die der Albaner geopfert werden, um diese Ziel
Und eine große Zahl eigener Soldaten ?
die Bundesregierung eine neue Friedensinitiative ergriffen. Das Neue an diesem Plan ist, dass er zum ersten Mal präzise beschreibt, wie es eigentlich nach den militärischen Auseinandersetzungen weitergehen soll. Es wurde die Zielsetzung aufgenommen, einen Stabilitätspakt für ganz Südosteuropa zu realisieren, der die Ursache der Balkankonflikte beseitigt.
uns wichtig, von der russischen Staatsführung und vom UNO-Generalsekretär ausdrücklich unterstützt wird: Ziel ist es also, die humanitäre Katastrophe zu beenden und zu einem friedlichen, multiethnischen und demokratischen Kosovo zu führen, in dem alle seine Bewohner in Sicherheit leben können.
Krieg führt nicht zu Verständigung, er führt zu Haß. das Schweigen der Waffen, Frieden bedeutet auch das Zusammenleben der Völker ohne Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung". Daß die Abwendung einer humanitären Katastrophe mitten in Europa nur durch eine militärische Intervention möglich ist, ist schreckliche Realität; wir haben dies nicht gewollt, aber die jetzige Situation schließt andere Handlungsmöglichkeiten aus.
Vor dem Angriff gab es auf jeden Fall andere Möglichkeiten. Aber gab es auch Beharrlichkeit ? Und auch jetzt gibt es immer auch andere Möglichkeiten. Aber gibt es auch Willen und Einsicht ? 80er Jahren, hat auf dem Parteitag in seiner Rede folgende Thesen geäussert: Wenn jemand eine Bank überfällt, dann kommt die Polizei und
löst
Mit Hinblick auf die jüngste Katastrophe in den USA in der Schule bei Denver mag das für dort gelegentlich zutreffen. Es besteht aber kein Grund in Deutschland nicht derartigen Zuständen vorzubeugen. Unsere Prinzipien aufzugeben und die Beteiligung an Gewalt bringt unsere Gesellschaft allerdings weiter in die falsche Richtung. Wie will eine Gesellschaft, die gerade einen Krieg begonnen hat, ihrer Jugend friedliche Lösungen von Konflikten glaubwürdig machen ? Dies gab Präsident Clinton in seiner Rede zur Tragödie als Ziel an. Eskalation erfolgt durch Gewalttäter selbst.
Krieg führt, so ist dieses auch anerkannt. Begründung: Es ist ein Verteidigungskrieg! Aber wenn ein Staatschef einen Teil seiner Bevölkerung überfallen,
nicht zum Weltpolizisten machen. Das Eingreifen im Kosovo ist das Resultat der Selbstlähmung der UNO und somit eine ultima - ratio - Entscheidung gewesen. Ziel ist weiterhin, die jetzigen UNO-Strukturen, die immer noch dieselben des Kalten Krieges sind, so zu reformieren, daß das Interesse einzelner Staaten nicht den Ausschlag mehr für die Lähmung der UNO bedeuten kann. Die Tragödie besteht darin, daß, egal was man macht, sich
schuldig
Kein Mensch fordert tatenloses Zusehen. Es geht nicht um die Wahl zwischen Nichtstun und Handeln, sondern zwischen falschem und richtigem Handeln. Wir machen uns doppelt schuldig durch eine Hilfsaktion, die Teil der Katastrophe für die Bevölkerung ist. Einmal, weil wir unsere eigenen Prinzipien auf immer verraten. Wir sehen seit langem allen anderen Bürgerkriegen nahezu tatenlos zu. Wir verlieren dadurch nicht mehr an Würde und Glaubwürdigkeit, als wir ohnehin nur haben. Aber geben wir das eiserne Prinzip des Verzichts auf einen Angriffskrieg einmal auf, so ist unsere Glaubwürdigkeit für alle zukünftigen Fälle dahin. Und zum zweiten, weil wir nicht wirklich Hilfe leisten. Was im Moment
begangen wird ist tatsächlich die eigentliche Unterlassung der Hilfe.
Was wäre sinnvolle Hilfe ?
Und es ist weder kostspieliger noch mit mehr Menschenopfern verbunden
als eine Militäraktion.
Dies hätte statt Luftangriffen stattfinden müssen und kann
es immer noch.
Aber es geht auch jetzt noch. Wir alle sind Menschen und Menschen
sind zur Einsicht und zur Vernunft fähig.
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Stand 22.04.99
E-mail: a@achimp.de