Kosovo

Henning Voscherau, Parteivorstand:

Liebe Genossinnen und Genossen! Dieser Krieg im Kosovo ebenso wie unser heutiger Parteitag markieren einen tiefen Einschnitt. Eine öffentliche Auseinandersetzung über unterschiedliche Sichtweisen ist außerordentlich wichtig auch für weit in die Zukunft greifende Zeiträume.

Es ehrt unsere Partei, daß sie diese Diskussion aushalten und führen kann. Ich füge hinzu - an die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gerichtet -: Ich würde mir wünschen, daß sehr viel mehr Bürgerinnen und Bürger in dieser Auseinandersetzung engagiert Partei ergriffen.

Liebe Genossinnen und Genossen, es gibt zwei Lehren der Naziverbrechen und des Angriffskrieges des NS-Deutschland: erstens nie wieder Krieg, besonders nicht von deutschem Boden aus, und zweitens nie wieder Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Es ist jetzt dahin gekommen, daß wir uns zwischen diesen beiden höchstrangigen Zielen und Lehren entscheiden müssen. Ich verhehle nicht: Meiner Meinung nach ist die Situation die, eine Entscheidung zwischen zwei falschen Wegen treffen zu müssen. Beide wären falsch. Dem Völkermord zuzuschauen wäre falsch. Aber auch jeder militärische Angriff in der Fortsetzung von Politik ist falsch.

Beides ist geächtet. Es ist ein tragisches Dilemma, daß es dahin gekommen ist, daß wir uns nun zwischen diesen beiden höchstrangigen Zielen kontrovers entscheiden müssen.

Ich sage ausdrücklich: Ich teile die Beschreibung der humanitären Ziele durch Gerd Schröder und Rudolf Scharping. Ich teile die Beschreibung und Beurteilung des jugoslawischen Regimes und des dortigen Völkermords durch Gerd Schröder, durch Rudolf Scharping und durch die betroffene Vertreterin, die hier eben gesprochen hat. Da sind wir nicht auseinander.

Dennoch komme ich bei der Wahl der Mittel zu einer anderen Entscheidung als die Bundesregierung, und zwar aus folgenden Gründen. Ich glaube nicht daran, daß Bombardierung je ein taugliches Mittel gewesen ist oder sein wird.

Bombardierung trifft vorrangig und hauptsächlich unschuldige Bürgerinnen und Bürger. Bombardierung trifft in erster Linie immer das Volk und eher nicht den Diktator, bringt ihn nicht vor Gericht, wohin er gehört.

Im übrigen wirft die Frage eine Zusatzfrage auf. Gäbe es, Genossinnen und Genossen, wirklich einen militärischen Gegenschlag auf Nato-Einrichtungen? Ist das dann der Bündnisfall? Ist das dann der Verteidigungsfall? Sind dann alle unsere jungen Männer ab 18 aufgerufen und müssen kommen, obwohl es die Nato war, die begonnen hat, kriegerische Mittel anzuwenden?

Ich meine: Nein! Auch das muß von hier aus deutlich gesagt werden.

Untauglich ist die Bombardierung auch, weil sie die wichtigen und richtigen Ziele, die Gerd Schröder und Rudolf Scharping definieren, nicht erreichen wird. Konsequentes militärisches Mittel, um diese Ziele zu erreichen, wäre allein der Krieg mittels Bodentruppen. Das, liebe Genossinnen und Genossen, muß für uns Deutsche, die wir als einziger Nato-Partner vor zwei Generationen dort Menschenverbrechen begangen und Verwüstungen angerichtet haben, wohl ein für allemal und ohne Wenn und Aber ausscheiden.

Ich bin froh darüber, daß das hier heute hoffentlich auch beschlossen werden wird.

Kosovo

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Stand 22.04.99

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